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Sonntag, 10. Februar 2013
es gibt immer mehr seelisch Kranke
gedankenland, 13:09h

Immer mehr Menschen erkranken an psychischen und psychosomatischen Krankheiten. Woran mag es also liegen, dass wir auf der einen Seite die besten Bedingungen vorfinden, um glücklich zu sein, auf der anderen Seite aber immer mehr an seelischen Problemen leiden?
Ich glaube nämlich, dass sich unsere Gesellschaft weitgehend ihrer Werte entledigt hat. Und damit meine ich nicht die Werte, die sich in Geld messen lassen, sondern jene, die zu wirklicher Lebensqualität beitragen.
Für Betroffene mag die Frage zynisch klingen. Das Leid ist zu groß, die Situation zu unerträglich, das Gefühl der Sinnlosigkeit zu tief, als dass man etwas Positives, Produktives darin erkennen könnte. Und dennoch hat die Krankheit Depression einen Sinn.
Wenn Menschen in schwierigen Situationen erstarren, ihre Aktivität einstellen, dann kann das durchaus ein vernünftiges Verhalten sein. Die Depression stellt sicher, dass man nicht unnötige Energie verschwendet. Sie sorgt dafür, dass man innehält, sich schont in Situationen, in denen man zunächst keine Handlungsmöglichkeiten sieht. So gesehen ist Depression eine gesunde Anpassungsleistung an schwierige Bedingungen.
Depressionen haben, wie jedes Gefühl, Signalfunktion. Sie informieren uns über unser Verhältnis zur Umwelt, darüber, wie wir bestimmte Situationen und Menschen wahrnehmen und einschätzen. Wenn wir die Depression verleugnen, nehmen wir ihr diese wichtige Signalfunktion. Das heißt, wir lassen die Chance ungenutzt, ihre Botschaft zu hören und diese für eine Veränderung zu nutzen.
Die Depression zeigt uns unsere Grenzen auf und bewahrt uns gleichzeitig davor, diese Grenzen zu verletzen, über unsere Kräfte zu leben. Depression ist eine Art Schutzfunktion, sie zwingt uns innezuhalten und – im Idealfall – im Prozess der Depression produktive Lösungen zu finden.
Um hören zu können, was die Dame in Schwarz zu sagen hat, braucht ein depressiver Mensch sicherlich Mut: Er muss bereit sein, sich der Wahrheit zu stellen. Er muss die von ihm errichtete Fassade einreißen und sich eingestehen, dass er mit seinen bisherigen Lösungsversuchen gescheitert ist. Wichtig ist, mit sich selbst und der Dame in Schwarz in einen Dialog einzutreten, mit dem Ziel, Verständnis für die depressive Reaktion zu entwickeln und Antworten zu finden auf Fragen:
Wie kann ich mich schützen? Wie kann es gelingen, inmitten dieser stressvollen Leben nicht depressiv zu werden?
Man kann einen Depressiven mit Nichtschwimmern vergleichen. Den Nichtschwimmern fehlt die Fähigkeit, in tiefem Wasser zu überleben, die depressiv Erkrankten wissen nicht, wie sie die Tiefen des Lebens meistern können. Schwimmen kann man lernen, mit Depression umgehen auch. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Wer in einer schweren depressiven Phase steckt, hat kaum eine Möglichkeit, sich selbst ohne fachkundige Hilfe aus der Depression zu befreien. Und auch leichte depressive Verstimmungen können, solange sie akut sind, einen Menschen völlig lähmen. Selbsthilfe kann sich immer nur auf die einigermaßen depressionsfreien Zeiten beziehen. Und die gibt es in den meisten Fällen.
Schwierige Lebensumstände allein lösen noch keine Depression aus. Das passiert erst, wenn keine Möglichkeit gesehen wird, in einem positiven Sinne Einfluss auf die Situation zu nehmen. Dabei kommt es nicht nur auf die objektiven Möglichkeiten an, die ein Mensch hat, sondern auch auf die Möglichkeiten, die er sich selbst zuspricht. Die Überzeugung „Das schaffe ich schon“ ist von enormer Bedeutung. Wer so denken kann, vertraut auf seine eigenen Fähigkeiten und fühlt sich nicht hilflos ausgeliefert. Ein starkes Selbstwertgefühl ist also die beste Abwehr und das Vertrauen auf sein „ich“
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